Buenos Aires – zurück in der Zivilisation?

Fliegen mit dem Fahrrad war immer ein kleines Abenteuer. Aber es ging alles gut. Wir bekamen für die Räder und unser doch recht üppiges Gepäck einen Spezialpreis. Das nette ‘Aerolineas’ Mädel am Check-In meinte es sehr gut mit uns! Aber Radler waren hier auch keine Seltenheit.
Der erste Eindruck in Buenos Aires war etwas ernüchternd: Es stank nach Hundekot, Urin und Grillfleisch, ein oft ekelhafter Mix. Aber aus welchen Gründen auch immer, mir gefiel die Argentische Hauptstadt mit seinen Einwohnern, den ‘Porteños’. Sie wurde gerne das Paris Südamerikas genannt. Viele Kolonialbauten, Parks und beeindruckende Kirchen prägten das Stadtbild.
Wir bezogen ein gemütliches und ruhiges Hostel in welchem vorwiegend Studenten und keine Backpacker abstiegen. Wir brauchten alle eine Pause und genossen erst einmal das wesentlich angenehmere Klima. Die anschließenden Tage wollten wir die klassischen Touristenattraktionen besuchen.
Erst ging es nach ‘La Boca’, das nette Künstlerviertel mit den vielen bunten Häuschen. Hin und wieder begegnete man vor Restaurants auf der Straße tangotanzenden Pärchen. In ihren Gesichter sah man ein für die Touristen gezwungenes Lächeln. Geld verdienen war eben kein Zuckerschlecken. Gerade in La Boca. Schon am zweiten Tag unserer Ankunft wurde Felix, mein Radelkumpane nicht weit des berühmten ‘La Bombonera’ Fussballstations überfallen. Am hellichten Tag, von zwei Männern gepackt und ausgeraubt. Auch das ist Buenos Aires.
In Saint Telmo, dem herausgeputzten Stadtviertel gab es jeden Sonntag einen sehr netten Markt. Antiquitäten, Kunstmalereien oder auch Gebrauchtgegenstände wie für den Matetee gebräuchlichen Utensilien wurden zum Kauf angeboten. Matetee schlürfend liefen viele bewaffnet mit heißem Wasser aus der Thermoskanne, einem Becher, dem sog. ‘Calabaza’ und dem Trinkröhrchen ‘Bombillos’ durch die Strassen. Das war eben der Argentinische Lifestyle.
Mittlerweile war ich es schon gewohnt in Argentinien Pesos zu kaufen. Aus Chile hatte ich noch genug Dollars zum tauschen, war damit das Leben doch um 30% günstiger als mit einer Kreditkarte. Getauscht wurde in der Haupteinkaufstrasse ‘Florida’. An jeder Ecke stand ein ‘Cambio, Cambio’ schreiender ‘Arbolitos’ (Bäumchen) bei welchem man umtauschen konnte. War man sich über den Kurs einig, ging es über verschlungene Wege in ein nahegelegenes Bürogebäude in welchem sich in einem kleinen Kabuff eine illegale Wechselstube befand. Das Geschäft auf dem sog. ‘Blue Market’ mit Dollars und Euros blühte sichtlich.
Der erste Mai wurde in Argentinien ebenfalls gefeiert. Es gab die ein oder andere Arbeiterkundgebung, aber alles noch in recht gemäßigtem Rahmen. Die meisten Argentinier nutzten das verlängerte Wochenende und machten Ausflüge in die nähere Umgebung. Mit Kind und Kegel gingen sie an den nahegelegenen Strand oder schlenderten mit einem Eis in der Hand auf einer der vielen Promenaden. Diese waren gesäumt von Grillständen und überall lag der Grillfleisch Duft in der Luft. Da viele Geschäfte geschlossen blieben war es ruhig in der Stadt und damit optimal zum Fahrradfahren.
Nach einigem hin und her mit einem Fahrradhändler hatte ich wieder ein neues Hinterrad. War mir in Ushuaia wieder eine Felge gerissen. Nach langen Diskussionen mit einem Fahrradmechaniker über das wie und was zentrieren speichte er mir eine neue Felge ein. Am Ende waren wir komplett zerstritten und ich traute mich schon gar nicht mehr nach einem besseren Fahrradkarton fürs Flugzeug zu fragen, :-). Aber das Rad war nach ein paar zusätzlichen  Schönheitsreparaturen wieder komplett und ich konnte durch die Großstadt gondeln. Buenos Aires eignete sich recht gut dazu. Es gab sogar ein paar Fahrradwege und die Autofahrer waren relativ rücksichtsvoll. Meine Radtouren brachten mich u.a. nach Tigre im Norden der Stadt. Der dortige Fruchtmarkt war legendär. Auf kleinen Booten wurden die Waren von den Händlern über das Flußdelta transportiert und im Hafen verkauft. Ein paarmal kam ich auch in Viertel, in welchen man sich als Tourist sonst nicht verirrt. Straßen mit heruntergekommenen Wellblechhütten, vom Regen komplett aufgeweichte Schotter,- bzw. Lehmstraßen, kaputte und ausgebrannte Autos am Gehsteig. Von allen Ecken wurde man kritisch beobachtet, fiel ich hier schon alleine durch die Kleidung und das Fahrrad auf. In anderen Ecken dagegen boten Frauen ihre Dienste an. Latinas, oder Schwarze. Manche davon richtig hübsch, :-).
Zur großen Freude gab es noch ein paar Wiedersehen mit ‘alten’ Radelbekannten. So traf ich nach 1,5 Jahren meinen guten Freund Etienne aus Quebec wieder. Er erreichte nur ein paar Tage später Feuerland und beendete ebenfalls seine Reise. Auch Peter aus Kanada war dabei, bei ihm machte ich damals ‘Urlaub’ in Mexico.
Damit löste sich die Radelfamilie nach und nach auf und ich blieb eine Zeit lang alleine und später mit meinen japanischen Mitbewohner in der Großstadt. Wir streiften abends durch die Straßen, besuchten Restaurants und genossen das ein oder andere Asado. Wir stellten fest: Trotz der prekären wirtschaftlichen Situation im Land waren die Restaurants und Kneipen jeden Abend sehr gut gefüllt. Die Argentinier lassen sie sich das Feiern und Ausgehen eben nicht so schnell nehmen. Dabei stieg die Inflationsrate alleine im April um 3,5%. Tendenz aufwärts.
In Montevideo hatte ich die Möglichkeit für ein paar Tage in einer Wohngemeinschaft unterzukommen. So fuhr ich mit der Fähre und Bus in das für mich letzte Land in Südamerika: nach Uruguay!

Dieser Beitrag wurde unter Argentina veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse eine Antwort