Windstilles Patagonien?

Kaum verließen wir die traumhafte Bergkulisse des Fitz Roys, kam die eintönige Pampa. Kein Windschutz, weite Strecken mit kaum Bewuchs und wenn es blies, dann heftig. Es wurde kalt, speziell in der Nacht. Tagsüber kletterte das Thermometer kaum auf 10 Grad. Nach vielen Stunden bei heftigem Gegenwind im Sattel war man abends froh einen warmen Platz zum schlafen zu finden. Nein, die Campingsaison war definitiv vorüber. So übernachteten wir in Hütten der Straßenarbeiter oder auch verlassenen Häusern, welche Windschutz gaben. Nach ein paar Tagen erreichten wir El Calafate und trafen wieder einen Teil der Radelfamilie. Die Ersten hatten schon kein Interesse mehr bis Feuerland zu radeln und beendeten ihre Tour. Der Winter kam, es war kalt und 1000km südlich wird es sicherlich nicht wärmer werden. Sie selbst bezeichneten sich humorvoll als ‘the Quitters’ und wer weiß, vielleicht trafen sie die bessere Entscheidung.
Das Fahrrad mußte zur Reparatur, der Alulenker war vom Salz ‘durchgeschwitzt’ und gebrochen. Glücklicherweise fand ich Ersatz in einem Hinterhofladen. Insgesamt ist die Ausrüstung ziemlich am Ende. Aber hier in Patagonien Ersatz zu finden ist nicht einfach und teuer. Somit wurde so gut wie alles irgendwann einmal repariert.
Um Zeit zu sparen ging es zur Besichtigung des berühmten Petite Moreno Gletschers mit dem Bus. Erstaunlicherweise hielten sich die Touristenmassen in Grenzen und wir hatten genug Muse die riesigen Eismassen aus der Nähe anzusehen. Der Gletscher lebte und schob sich talwärts in den See. Das hatte zur Folge das hin und wieder riesige Eismassen krachend ins Wasser fielen. Ein imposantes Naturschauspiel.
Wieder zurück im Sattel und in der Pampa strampelten wir zum letzten großen Highlight in Patagonien. Der ‘Torres del Paine’ Nationalpark mit dem Ausgangspunkt Puerto Natales. Erstaunlicherweise hatten wir für zwei Tage KEINEN Wind in Patagonien. Es war kaum zu glauben. Statistisch gesehen hätten wir Nordwestwind und damit Rückenwind haben sollen. Andere Radler, welche uns schon auf der ‘Caretera Austral’ entgegenkamen, hatten uns schon von ihrer Schinderei nach Norden erzählt. Für uns war aber momentan Windstille – in Patagonien! Und wir mußten jeden Kilometer selbst treten, :-)!
Mit meinem Radkumpanen Nando fanden wir abends immer ein warmes Plätzchen. Unsere Gastgeber stellten uns sogar ganze Häuser mit eigenem Holzofen zur Verfügung, waren immer sehr nett und stets hilfsbereit. Hin und wieder gaben sie uns sogar Essen. Immer Fleisch, in der Suppe oder mit Kartoffeln. Das hatte zur Folge, daß wir in Puerto Natales mit unseren bis oben hin gefüllten Essenstaschen eintrudelten. Für uns als Tourenradler sind solche Leute wichtig, gerade hier in dieser rauen Gegend und bei diesen klimatischen Bedingungen. Da im Sommer jedoch sehr viele Radler auf der Strecke sind, wird an den wenigen Übernachtungsmöglichkeiten entsprechend oft nach einem Schlafplatz nachgefragt. Man sollte sich dieser Verantwortung bewußt sein und sich entsprechend verhalten. Einmal wurden wir abgewiesen, da Vorgänger eine Dusche zerlegt hatten. Der gute Mann hatte von Radlern verständlicherweise die ‘Faxen’ dicke und wir mußten unser Zelt aufbauen.
Am Tor zu den Türmen, den ‘Torres del Paines’ in Puerto Natales packte ich wieder den Rucksack ‘Nikko’ und zog für ein paar Tage zu Fuß durch den Nationalpark. War in Argentinien alles frei, wurde man hier in Chile von den Parkrangers ziemlich ‘geschröpft’. Der Park kostete Eintritt, die Campingplätze waren ebenfalls kostenpflichtig und wild campen war verboten. Es war voll. Sehr voll. Viele internationale Gäste, aber auch viele Einheimische waren auf den Wegen. Der Park lies sich nur zu Fuß erkunden. Für viele war die Wandertour das erste mal mit Zelt, Kocher und Schlafsack. Abends auf den Campingplätzen gab es dann ein Schauspiel. Pärchen stritten wie man ein Zelt aufbaut, den Rucksack richtig packt oder wie lange die Nudeln jetzt auf den wackeligen ‘Doite’ Kochern dauern bis sie endlich weich waren.
Vor vielen Jahren brannte ein Teil des Parkes, da ein israelischen Tourist beim kochen Feuer gelegt hatte. Die Folge war das es mittlerweile strikte Regeln im Park gab und die Ranger ziemlich empfindlich bei Nichtbeachtung waren. So darf z.B. nur an ausgewiesenen Kochstellen der Kocher benutzt werden. Abends tummelten sich dann die vielen Wanderer in den engen kleinen Hütten, welche oft nicht einmal vernünftige Sitzgelegenheiten hatten.
Das Wetter war sehr gut, ich hatte noch Glück. Am Morgen lagen die Türme meist im Nebel, am Nachmittag klarte es dagegen oft auf. Einen kleinen Wermutstropfen gab es jedoch. Gerade im östlichen Teil, an welchem man die klassischen Bilder der ‘Torres’ zu sehen bekam, quälten sich Menschenmassen den Berg hinauf. Die Ruhe der Berge war dahin. Es war Nachsaison. Was in der Hauptreisezeit hier los war wollte ich gar nicht wissen.
Von Puerto Natales ging es jetzt wieder mit dem Drahtessel nach Punta Arenas. Die größte Stadt der Gegend. Wieder übernachteten wir auf den riesigen Estancias mit bis zu 20000 Hektar. Die Gauchos und die anderen Arbeiter der Farm hatten in der Regel eine eigene Hütte zum Leben. Es gab immer eine beheizte Küche und meistens einen Koch, mit welchem wir uns gut stellten. Eine reine Männergesellschaft. Frauen gab es keine. Nur ein paarmal im Monat verließen sie die Estancias und zogen durch eine der beiden Städte. Natales, oder eben Arenas. Jeder hatte dort eine, oder mehrere Frauen. Meist kamen sie dann ohne Geld wieder zurück in ihre ‘Familie’. Ein spezieller Menschenschlag eben (wie  Tourenradler vielleicht auch, :-)).
In Punta Arenas landeten wir zufälligerweise im selben Hostel wie die übrig gebliebenen Feuerland Radler. Eine kleine Welt. Die Stadt war durch den Wollhandel groß geworden. Mittlerweile gab es auch eine steuerfreie Handelszone. Einige teure Mercedes, Audis oder sonstige Nobelkarossen waren auf den Straßen zu sehen. In Patagonien bisher ein ungewöhnliches Bild. Die Stadt war nichts besonderes, man konnte sich aber mit ‘Elektronikkram’ für die hiesigen Verhältnisse günstig eindecken. Daher blieben wir auch nicht lange und zogen frühzeitig weiter. Der allerletzte Teil der ‘RideSouth’ Tour stand an! Am folgenden Tag nahmen wir die Fähre über den Magellankanal- nach Feuerland!

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