Seengegend und Puerto Montt

Komplett durchgefroren erreichte ich den Chilenischen Grenzübergang. Auf dem Paß hatte es gerade noch drei Grad bei ordentlichem Wind. Am Eingang der Grenzanlage holte ich mir wieder den Laufzettel für die einzelnen Stationen ab: Immigration, Lebensmittelkontrolle und Zoll. Überall bekam man einen Stempel. Beim Verlassen des Geländes mußte man alle haben, sonst ging es wieder zurück. Des schlechten Wetters wegens ging ich in Anticura in ein Hostel, eine Cabana, welche es jetzt immer öfters gab. Kleine Hütten zum mieten, wobei die Preise in Chile deutlich höher waren. Von hier aus wollte ich auf den Vulkan Puyehue. Dieser ist noch aktiv und brach erst 2011 aus. Ein großer Teil Region war damals betroffen. Großflächig wurden Wälder durch den Ausbruch zerstört. Man weiß noch nicht genau woran die Bäume gestorben sind. Es gibt die Theorie, daß sie die Hitze nicht ausgehalten haben. Andere behaupteten wiederum die Asche am Boden hätte zu einen Nährstoffüberfluß geführt, was zum absterben führte.
Leider waren die Wetteraussichten immer noch schlecht und ich wartete einen Tag. Im mit Holz geheizten Innenraum war es nicht so schlecht, hatte ich zudem noch Gesellschaft von einer Tschechischen Reisegruppe. Trotz  Regens versuchte ich mein Glück am Folgetag und ging erst einmal auf eine kleine Hütte unterhalb des Vulkans zum übernachten. Es war niemand da und ich hatte die ganze Bude erst einmal alleine. Spät am Tag kamen noch zwei Chilenen, genossen die jetzt warme Hütte, waren sie ebenfalls vollkommen durchnäßt und durchgefroren. So wurde es noch ein lustiger Abend mit vielen politischen Themen. Der Vulkan wollte sich aber auch am nächsten Tag nicht zeigen, so stieg ich etwas frustriert ab. Es hatte keinen Sinn und warten konnte ich nicht mehr. Bei Regenwetter ging es weiter durch die chilenische Seengegend. Erst noch um den Lago Llangquihe herum an den Fuß des bekannten Vulkans Mt. Osorno. Der zeigte sich schon von weitem, klarte es endlich ein wenig auf. Er wird mit dem japanischen Fuji verglichen, hatte er doch ebenfalls die klassische Vulkanform. Ein beeindruckender Anblick. Auf einer Fahrstraße kann man die 1200 Höhenmeter in 12km zur Talstation der Sessellifte hinaufkurbeln. Eine sportliche Angelegenheit mit dem vollgepackten Rad. Beim ‘Aufstieg’ roch es ständig nach Kupplung, hatten auch die Autos und die etwas altersschwachen Busse so ihre Probleme mit der Steigung. Die Liftstation war komplett im Nebel. Ich lief trotzdem unterhalb der Skilifte durch die Lavafelder um an die Grenze der Gletscher zu gelangen. Die Chilenen sind im allgemeinen recht lauffaul, so wurde ich etwas schräg angesehen, als ich mich nach einem Wanderweg erkundigte. Oben angekommen riß es kurz auf und der Gipfel kam zum vorschein! Leider war das Tal immer noch komplett mit Wolken bedeckt. Es mußte ein gigantischer Ausblick über die Seenlandschaft sein, dieser blieb mir aber verwehrt. Bis Puerto Varas quälte ich mich noch entlang der stark befahrenen Straße am See entlang. Hier hatten sich schon im 19. Jahrhundert viel Deutsche niedergelassen. Die Gegend wurde den damaligen Auswanderern von der chilenischen Regierung überlassen. Sie machten das Land urbar und betrieben seither Landwirtschaft, war das Klima und auch die Landschaft gerade dem Deutschen recht ähnlich. So gab es überall ‘Kuchen’, wie dieser auch auf spanisch genannt wird. Deutsche Namen prangten hier und dort an den ‘Fundos’, den Bauernhöfen und oft sprachen die Leute auch noch ein paar Brocken Deutsch. Es gab ordentlich aufgeräumte Vorgärten mit geschnitten Hecken, Blumenbeeten und kleinen Gemüsegärten. Das sah man sonst eher selten. Nur wirkte es alles ein wenig kitschig. Puerto Varas war in Chile eines der Haupttouristen Orte und entsprechend hergerichtet. Gegründet ebenfalls von Deutschen waren die Spuren dieser überall zu sehen. Aber auch schon wie San Martin des los Andes in Argentinien wirkte es künstlich. In einem von Deutschen geführten Hostel gab es noch ein Plätzchen. Es war extrem sauber und: alles funktionierte. Es gibt wohl zwischen den Kulturen doch ein paar Unterschiede, :-). Da ich immer noch in der Hochsaison unterwegs war, waren Betten aber rar und ziemlich ausgebucht. Meine ehemaligen holländischen Radkollegen Hans und Maarten erreichten am selben Tag die Touristenhochburg. Ein Grund um das Wiedersehen mit dem guten, von Deutschen Auswanderern gegründete ‘Kunstman’ Bier aus der Gegend zu feiern. Da uns allen hier zuviel Trubel war und wir auch erst einmal keinen weiteren Platz zum bleiben hatten, fuhren wir am nächsten Tag noch einen Umweg Richtung Norden um einen ruhigen Platz am See zu finden. Die Ortschaft Frutillar mit einem netten Badestrand war aber ebenfalls komplett überlaufen. Trotzdem genossen wir es ein paar Runden im See zu schwimmen um dann in die größte Stadt im Süden Chiles – Puerto Montt zu radeln.
Auf dem Seitenstreifen des vierspurigen Highways radelten wir direkt nach ‘Downtown’. Wir brauchten eine Unterkunft für acht Personen, trudelten am nächsten Tag Freunde von Maarten ein welche ebenfalls bis nach Ushuia radeln wollten. Puerto Montt war eine Hafenstadt. Containerschiffe löschten hier ihre Waren, welche dann per LKW über das Land verteilt wurden. Auch kamen immer wieder große Kreuzfahrtschiffe an und die Stadt wurde kurzzeitig mit Touristen ‘geflutet’. Mir gefiel es hier, hatte der Ort etwas ursprüngliches. Die Menschen waren ein wenig grober, oft nur kurz angebunden und nicht überschwenglich freundlich wie z.B. in Puerto Varas. Die Häuser, alle ein wenig heruntergekommen strahlten einen besonderen Charme aus. Auch die Inneneinrichtungen der Läden (oder auch unserer Unterkunft) hatte etwas spezielles. Ich blieb noch zwei Tage mit der jetzt stark angewachsenen Gruppe. Hatte aber noch einiges zu erledigen und fuhr später wieder Solo aus der Stadt. Ein weiteres Highlight der Tour stand an: Die berühmte ‘Carretera Austral’!

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Eine Antwort auf Seengegend und Puerto Montt

  1. Johann Sigg Tamm sagt:

    Hallo Jörg,
    ich bin mal wieder auf Deiner Seite und freue mich, einen relativ neuen Beitrag von Dir zu lesen. Ich hoffe Du bist gesund und genießt immer noch Deine Tour.
    Deinem Einsatz zolle ich großen Respekt und ich bewundere Deine Ausdauer. Sicher ist bei einem solchen Unternehmen nicht jeder Tag ein Freudentag. Aber Du hast ja eine Richtung.
    Deine Beiträge und Fotos sind sehr interessant und lassen uns Daheimgebliebenen ein bißchen an Deinem Abenteuer teilhaben.
    Ich wünsche Dir alles Liebe und Gute, viel Gesundheit und immer genügend Luft.
    Herzliche Grüße von uns Tammern
    Hildegard und Hans
    Du bist ja wieder Onkel geworden, eine süße kleine Ella.

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