Routa National 40

Wir entschieden uns für den ‘Paso de Sico’. Am Ortsausgang von San Pedro mußten wir uns schon den Ausreisestempel für Chile holen. Die ersten gut 80km ging es noch auf einer geteerten Straße, immer am Rand des Atacama Salzsees entlang. Die Gegend gehörte zu den weltweit am trockensten. (z.B. hat Calama 0mm Niederschlag/Jahr, :-)) Nach Sousaire war aber dann Schluss mit lustig, der ‘ripio’ (Schotter) begann. Ein Minenarbeiter schenkte mir noch Wasserflaschen, da auch hier das Wasser in der Umgebung durch die Minen kontaminiert war. Die Strecke windete sich den Pass hinauf. Vorbei an Lagunen campierten wir nochmal direkt auf einem Salzsee. In der Nacht schnatterten die anwesenden Flamingos und bescherten einem einen etwas unruhigen Schlaf. Der eigentliche Pass war lediglich 4000m, auf Chilenischer und dann auch auf Argentinischer Seite geht es aber immer wieder auf 4500m. So fuhren wir auf den Pass nach Argentinien herunter! Vorher wurden wir aber noch in einem chilenischen Minencamp herzlich in deren Kantine zum Frühstück eingeladen. Bezahlung wollten die lustigen Küchenjungs keine, sondern gaben uns zum Abschied noch Wasserflaschen mit. Dann war ich endlich in Argentinien!
Wir  kamen pünktlich zu Silvester in San Antonio de Cobras an. Ein ziemlich verschlafener Ort (mit wenigstens ein bißchen Infrastruktur) auf immerhin noch 3700m und Wüstenklima. D.h tagsüber ziemlich warm und sobald die Sonne verschwand recht frisch. Internet gab es während unseres Aufenthaltes im ganzen Dorf nicht. Am Ortsausgang war eine große Satellitenschüssel über welchen die Anbindung lief. Nur war diese gerade defekt. Mit der Zeit gewöhnte ich mich ein wenig an die ‘Latinotechnik’. Es funktioniert eben nicht immer alles. Wir feierten das neue Jahr im kleinen Kreis, mit billigem Rotwein (die Auswahl war nicht sonderlich groß), ‘Diner For One’ und ein paar kleinen Krachern. Die Silvesternacht verlief in dem Nest sehr ruhig, obwohl uns immer wieder gesagt wurde das irgendwo eine große Party steige. Riesig konnte sie nicht gewesen sein, :-).
Am Neujahrstag ging es auf die berühmte Ruta National 40. Der ‘Fussel’ der vorherigen Nacht hatte starke Auswirkungen, fuhren wir erst nach Norden, anstatt nach Süden. Nachdem sich der innere Nebel langsam lichtete und ich mich über die abfallende Höhe auf meinem Tacho wunderte, schauten wir auf die Karte und den Kompaß. Da waren wir aber schon ein paar Stunden falsch geradelt. Somit erreichten wir zur späten Mittagszeit, pünktlich zur Pause unseren Ausgangspunkt wieder. Ja, das Jahr fing gut an…
Die RN40 zog sich vom Norden her bis in den südlichsten Zipfel Argentiniens. Ein Klassiker für 4×4 Fahrer, Motorbiker und eben auch für Radler. Die Straße ist auch heute noch ein Abenteuer. Sie sollte bis 2010 komplett geteert werden. Das ist mitnichten nicht der Fall, dauert in Argentinien alles ein wenig länger. Dadurch ging es gleich zu Beginn wieder, wie gehabt auf Schotter und Wellblech auf den höchsten Pass Südamerikas. Den Abra del Acay. Laut GPS 4970m, aber die Karten und Schilder sagten etwas anders. Der ‘Aufstieg’ war unspektakulär, die Abfahrt dagegen ging durch herrliche Täler mit in der Abendsonne glühend roten Felsen. Dazwischen immer wieder riesige Kakteen, eine spektakuläre Landschaft. Wir passierten kleine Dörfer und Estancias in der trockenen Wüstengegend.
Kurz vor Cafayate kam dann endlich der Asphalt wieder! Was für ein Gefühl nach der ewigen Hoppelei. Der Ort gehörte zu den größten Weinanbaugebieten Argentiniens. Genau das richtige für ‘Viertelesschlotzer’ nach langer Zeit auf Staubpisten. So liesen wir uns die Malbecs, die Tannats und Torrontes schmecken. Nach tagelangem Pasta gab es endlich mal wieder etwas vernünftiges zu Essen. Wobei die Argentinische Pizza etwas gewöhnungsbedürftig war. Der Weinbau hat in der Gegend des Rio las Conchas Tradition, ist aber nur Aufgrund immenser Bewässerungsanlagen möglich. Niederschlag gibt es so gut wie keinen. Verläßt man die Flußauen und die bewässerten Flächen, holt sich die Wüste gnadenlos das Terrain zurück.
Nach vier Wochen gemeinsamen radelns löste sich die Gruppe erstmal auf, so war ich wieder der ‘Lonely Rider’. Die anderen brauchten nach den ‘Strapazen’ eine längere Pause und wollten Teile auf der RN40 mit dem Bus überbrücken. Hatten sie auch nicht soviel Zeit für ihre Tour. Die gut 1000km nach Mendoza waren, bis auf ein paar Ausnahmen unspektakulär. Ich ‘zog’ durch, campierte meistens direkt neben der Straße im Dornengebüsch und hatte dadurch einige Platten. In den kleineren Städten füllte ich lediglich Lebensmittel und Wasser auf, gaben diese sonst nicht viel her. Käffer in der Wüste eben. An was man sich als Radler in Argentinien überhaupt nicht gewöhnen kann ist die Siesta. Zwischen 13h und 18h geht hier nichts. Die Dörfer sind komplett ausgestorben. Alle Läden waren geschlossen. Wie es aber immer so ist, erreicht man die Zentren ausgerechnet in dieser Zeit. Nach 70km in der Hitze freut man sich auf etwas kaltes und findet nichts. Einmal ‘zerrte’ ich einen Jugendlichen in seinen neben anliegenden Laden, er sollte gefälligst aufmachen.  Ich mußte einen ziemlich ‘fertigen’ Eindruck gemacht haben, denn er schloß ohne Widerspruch schnell auf. Welch Segen. Wie  mir gesagt wurde hilft auch vor der Türe stehen und in die Hände klatschen. Leider sind Kioscos nicht immer leicht zu finden, da sich oft keinerlei Schilder an der Tür befinden. Durchfragen hieß die Devise, nur wen fragen wenn jeder im Dorf vor sich hindöst…
Die Landschaft nach Mendoza war meistens eintönig, lange einsame Strecken mit Temperaturen zwischen 40 und 50 Grad. Dadurch schleppte ich bis zu 10l Wasser mit mir herum. Die ’40 ging meistens am Rand zwischen den Anden und dem Tiefland entlang nach Süden. Hin und wieder kleinere Pässe und vorallendingen heftige Winde. Waren das die Vorboten auf Südpatagonien?
Schon in Bolivien, Chile und jetzt eben in Argentinien traf ich immer wieder auf Vorbereitungen der Dakar Rallye, welche dieses Jahr durch diese Länder kam. War ich schon in der Vergangenheit i.d. Nähe der Rallyestrecke kam ich dem Zirkus jetzt gefährlich nahe. An einem Tag war die Hölle los. Überall aufgeblasene Michelinclowns welche in ihren Overalls an den Tankstellen herumstolzierten. Ein Augenschmaus und abwechslungsreiche Unterhaltung. Auf der Straße war es weniger spaßig, meinte man die Versorgungsclowns fahren selbst die Rallye. Als Radler war man für diejenigen da eher hinderlich.
In Mendoza endlich in einem Hostel angekommen gab mir das nette Mädel an der Rezeption erst einmal den Tip für eine Dusche… Wasser ist in der Wüste eben knapp, :-). Für eine Großstadt war Mendoza angenehm ruhig. Alles drehte sich hier um Wein, galt die Gegend als größter Weinproduzent Argentiniens. So nutze ich auch die Gelegenheit endlich zum Zahnarzt zu gehen und mein Rad zu richten. Nach 20000km und unfähigen Radmechanikern in Ecuador und Peru war das Hinterradlager hinüber. Zum ersten Mal auf der Reise traf ich einen Mechaniker der wußte was er tat. Zusätzlich befreite er den ‘Long Haul Trucker’ per Dampfstrahler von all dem Staub der letzten Monate. Toll!
Zu guter letzt holten mich meine zwei holländischen Kameraden wieder ein und wir begossen das herzlichen Wiedersehen mit einem guten Tropfen aus der Region, Salut!

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3 Antworten auf Routa National 40

  1. Frank und Gise sagt:

    Hallo Jörg, wo steckst Du?, schon lange nichts mehr von Dir gehört. Wir sind schon verwöhnt und warten mit Spannung auf einen weiteren Reisebericht. Bis dann, weiterhin “heiße Reifen” und gutes Weiterkommen. Gise und Frank

  2. gerold sagt:

    Hi Jörg,

    schön mal wieder was von Dir zu lesen.

    Jetzt hast du es ja bald geschafft. Ich hoffe du kommst die letzten km gesund und pannenfrei an.

    Grüße

    Gerold

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