Herzliches Kolumbien

Schnell lernte ich: Cafe heisst hier Tinto (ein kleiner schwarzer, kräftiger). Sancocho ist das klassische Mittagessen, letztenendes aber auch wieder Reis mit Bohnen (mit einem Stück Fleisch und Suppe) und Malta das hiesige Malzbier. Will man etwas, oder kommt man irgendwo an, hiess es erst einmal ‘traquilo’ aber das kannte ich ja schon – dank Uli Keuler.
Nach einem Urlaubstag in Cartagena ging es wieder ‘OnTheRoad’. Mein ‘Backpacker’ Bedarf war für eine zeitlang wieder gedeckt – eine andere Welt eben. Die Stadt war zwar sehr touristisch, jedoch schön hergerichtet und daher sehenswert. Sie strahlte einen gewissen Charme aus. Aber wie das in diesen Gegenden oft so ist, verlässt man die nette Innenstadt und quert die Aussenbezirke weiss man wieder in welchen Ländern man unterwegs ist. Auch hier: Müll, extrem heruntergekommene, verlotterte Wohngegenden und Menschen die mit ‘Nichts’ einfach auf der Strasse lebten.
Beim Verlassen der Karibikstadt sperrten Demonstranten die Ausfallstrassen. Polizei u. Militär waren vor Ort. Mir als Radler und Ausländer wurde aber immer eine Gasse geöffnet und ich war relativ schnell aus dem Gemenge. Hier ging es noch friedlich zu. Im Süden des Landes hingegen war schon einiges mehr los. Die Strassen waren komplett gesperrt, keiner kam mehr durch. Viele Reisende mussten tagelang in Cali, Popayan oder Pasto warten bis sich der Streik gelegt hatte. Eine sehr gute Zusammenfassung der Hintergründe gibt es hier:

http://www.novayo.de/politik/international/002595-freihandelsabkommen-von-unterdrueckten-bauern-und-einer-betrogenen-bevoelkerung-in-kolumbien.html

Die ersten 450km hatte ich noch ‘Schonzeit’, es blieb einigermaasen flach. Die Gegend war ‘karibisch’ geprägt. Viele dunkelhäutige, Bretterbuden am Strassenrand und in den kleineren Städten ein wahnsinniges Gewussel.
Eine weitere Änderung auf der Strasse gab es auch: in Kolumbien fährt man Moped. 50-120ccm. Die Dinger brausten kreuz und quer hinter, neben, oder vor einem herum. Man musste im Gedränge schon aufpassen. Da die Kolumbianer auch neugierig waren, fuhren sie gerne langsam neben einem her und stellten die altbekannten Fragen: Woher, Wohin, Wie lange schon unterwegs und: “WoW! Aus Alaska! – mit dem Fahrrad!?”. Tja, und dann düsten sie auch schon wieder weiter.
Die Topographie änderte sich und zur Orientierung waren die Höhenmeter mittlerweile aussagekräftiger als die gefahrenen Kilometer. Über 2000hm/Tag waren jetzt keine Seltenheit mehr.
In der zweitgrössten Stadt des Landes Medellin hatte ich seit langem mal wieder die Gelegenheit mein Rad auf Vordermann zu bringen. Ich verweilte im ‘Casa de Cyclista’ bei Manuel und Familie. Sie boten Reiseradlern ein Dach über dem Kopf. In meinem Fall hatte ich sogar den Luxus von Marta mit kolumbianischer Küche verköstigt zu werden. Ein ganz toller Aufenthalt! Medellin selbst ist für eine Stadt dieser Grösse recht angenehm und auch sicher. In den Letzten 20 Jahren, nachdem bekannte Mitglieder des ‘Medellin Kartells’ u.a. verhaftet wurden, folgte ein Boom mit Kaffee, was der Stadt den heutigen Reichtum brachte. Mittlerweile gilt sie als die sicherste Stadt in Südamerika.
Ich folgte mehr oder weniger der Panamerika, fuhr an riesigen Zuckerrohrfeldern entlang und kam in die Salsa,- und Sporthauptstadt Cali. Hier drehte sich so einiges ums Tanzen und Feiern. Den Salsa – den hatte man hier im Blut. Die rhythmischen Bewegungen saugten die Kolumbianer/innen schon mit der Muttermilch auf. Da hat man als Deutscher keine Chance. Aber nach einiger Zeit wurde mir das ‘Geduddel’ auch zuviel und freute mich wieder auf den klassischen Rock’n Roll ala AC/DC im Gehörgang.
Auf dem Weg nach Pasto durchquerte ich nochmal eine kleine Wüste mit Temperaturen bis zu 48 Grad. Hier wohnten vorwiegend Schwarze, in höheren Regionen dagegen traf man wieder die ‘klassischen’ Latinos. Weiter in Pasto änderte sich das Klima, kam man schliesslich auf bis zu 3000m Höhe. Es wurde einiges kälter und die Menschen hatten die berühmten Ponchos um (jop – mit Schlitz!) und trugen die bekannten runde Hüte. Die Kultur des folgenden Landes wurde sichtbar: Ecuador war jetzt nicht mehr weit!
Kolumbien war ein beeindruckendes Land mit sehr abwechslungsreichen (und anstrengenden) Landschaften, neugierigen und Ausländern gegenüber sehr offenen Menschen. So machte ich viele tolle Bekanntschaften mit Einheimischen und wurde oft eingeladen. Mal nur auf ein Malta, zum Essen oder zum Übernachten. Die Kolumbianer sind sehr stolz auf ihr Land und lassen einen das auch gerne wissen. Gibt man Kontra, wird es interessant (selbst in schlechtem Spanisch), :-).
Zudem sind sie radbegeistert. Gerade am Wochenende sieht man viele Freizeitradler auf den Strassen. Wobei ich in den Bergen oft das Gefühl hatte, es fahren mehr abwärts als aufwärts. Viele werfen das Rad bergauf auch schon einmal in ein Taxi, oder hängen sich gerne an die langsamen LKWs und nehmen eine Lift nach oben.
Die Sicherheitslage war trotzdem zu beachten. Oft wurde ich in kritischen Stadtteilen von Einheimischen (oft auch Radlern) aufmerksam gemacht hier nicht anzuhalten. Man bekommt mit der Zeit ein Gefühl, trotzdem muss man ja irgendwie aus den Städten raus und die schlechten Viertel durchqueren. Auch in den Unterkünften wird einem gesagt, wo man sich als Ausländer besser nicht aufhält. An der Hauptstrasse entlang waren gerade nach den Krawallen extrem viel Militär,- und Polizeikontrollen. Insgesamt gab es ein Nord/Süd Gefälle. Gerade der Süden des Landes war arm, die Arbeitslosigkeit hoch. Viele Kolumbianer versuchten daher in Panama oder ebenso in Ecuador Arbeit zu finden. Einige ‘schielten’ auch nach Europa und lernten ausgerechnet Deutsch.
So verlasse ich etwas schwermütig Kolumbien, aber es muss ja schliesslich weitergehen!

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